Unser Body Talk mit Leonie - Was unser Körpergefühl stärkt

 
 

Interview mit Leonie Jung

Liebe Leonie, 

du sprichst offen und bestärkend über deine Mentale Gesundheit und auch dein Körpergefühl und das wichtige Thema Body Image. Vor allem auch über die Akzeptanz deines eigenen Körpers und Aussehens und diesem so wichtigen, kostbaren und oft auch herausfordernden Prozess. 

Viele von uns, wenn nicht alle, kennen genau das und das Gefühl sich nie so ganz richtig und wohl im eigenen Körper zu fühlen. Schönheitsideale und Schönheitsdruck, Commercials und die Menge an Social Media, die wir konsumieren haben einen Einfluss auf den Blick, wie wir uns selbst sehen und auch fühlen. 

Du arbeitest im TV und seit dem du 13 Jahre alt bist als Model und nebenbei bei Instagram. Das fordert in diesem Prozess heraus und bringt auch viel bei :) 

Genau deshalb sprechen wir heute mit dir und erfahren von dir wie du dich in deinem Körpergefühl bestärkst, was dir dabei geholfen hat dich so zu akzeptieren wie du bist und wie du dich von all dem Wahn, Schönheitsdruck und auch Zuschreibungen und Projektionen abgrenzt und bei dir bleibst.


Wenn du auf dich zurückschaust, was hat dein Körpergefühl besonders geprägt? Welche Momente und Erfahrungen? 

Ich war 13, als ich das erste Mal als Model vor einer Kamera stand. Was damals für unzählige Menschen um mich herum als die Definition des Traumberufs galt, war für mich ab Tag 1 eine sehr gute Möglichkeit, mein Taschengeld aufzubessern. 

Mein Wunsch: So viel Geld zu sparen, dass ich mir mit 18 den Führerschein und ein Auto selbst finanzieren kann. Während sich heute schon vieles in Richtung „Body Positivity“ entwickelt hat, gab es damals ausschließlich den Druck, den Standards der Modeindustrie zu entsprechen. Und das war nun mal: Extrem schlank. 

Ich fing also in einem extrem frühen Alter damit an, mich mit meinem Körper zu beschäftigen, hatte ein Maßband in meinem Kinderzimmer liegen mit dem ich wöchentlich nachgeschaut habe, ob Brust, Taille und Hüfte noch die gleiche Maße hatten, wie beim letzten Agenturbesuch. Denn Agenturbesuche bedeuteten: Maße nehmen.

Darüber gesprochen habe ich zuhause nie: Denn ich wusste, dass ich sofort mit dem Modeln hätte aufhören müssen, wenn meine Eltern davon mitbekommen hätten, was ich da in meinem Kinderzimmer mache. 10 Jahre richtete ich mein Leben nach einem Job, der mein Körpergefühl geprägt hat: Damals im negativen Sinne, heute im positiven. Denn ich weiß so gut wie noch nie zuvor, wo mein Körper und ich nie wieder hin möchten. 



Für viele von uns ist die Pubertät mit all ihrem Wandel besonders herausfordernd. Du hast in dieser besonderen Zeit angefangen zu modeln und vor der Kamera zu stehen. Wie ging es dir damit?

Rückblickend weiß ich: Ich stand vor dem Eintreten meiner ersten Periode das erste Mal vor der Kamera. Die Periode ist ein tiefer Einschnitt in der körperlichen Entwicklung und all diese Entwicklungen brachten Unsicherheiten, die unter anderem durch den Job vor der Kamera bestärkt wurden: Meine Brust begann erst spät zu wachsen und während es für meine Freundinnen das Selbstverständlichste der Welt war, sich die Beine zu rasieren, überprüfte ich meine Beine täglich in der Hoffnung, ein Haar zu finden. 

Ich war 14, als ich das erste mal als Model einen hautfarbenen Body mit Silikoneinlagen trug und ich war 14, als ich mir das erste Mal wünschte, größere Brüste zu haben. Von dem Wunsch verabschiedete ich mich mit Mitte 20 - wie es mir all die Jahre damit ging, beantwortet sich an dieser Stelle glaube ich von selbst. 

Gab es Schlüsselmomente, die besonders für dich waren in Blick auf dich? Deinen Körper? Dein Körpergefühl?

Was eigentlich ganz simpel klingt, ist alles andere als einfach: Zu sich und seinem Körper stehen, ihn zu lieben und dafür zu akzeptieren, was er ist. Mein Körper ist mein Zuhause, mein Schutz, mein Rückzugsort und so wie er ist, gibt es ihn kein zweites Mal. Um ihn aber als solches zu sehen und zu empfinden, liegt eine weite Reise hinter mir. 

Denn seit Teenager-Alter machte ich alles dafür, zu meinem Körper eine komplizierte Beziehung aufzubauen: Da war der ständige Vergleich und Stellen an meinem Körper, die ich im wahrsten Sinne des Wortes verabscheute. Mit meinen 1,70 war ich immer die Kleinste, Kunden fanden meine linke Gesichtshälfte als die „Schönere“ - ich habe ein auffälliges Muttermal an meiner rechten Schläfe - und es verging kaum ein Job, wo mir nicht gesagt wurde, dass meine Hüfte zu breit für die Industrie ist. Ich war im permanenten Konflikt mit mir, einem Job nachzugehen, der mir eigentlich nicht gut tat - war aber nicht in der Lage, damit aufzuhören. 

2019 kam mein Schlüsselmoment: Ich kam gerade aus einer 10 jährigen Beziehung und alles um mich herum schien sich zu verändern. Ich verbrachte meinen Winter mal wieder in Südafrika und war für eine polnische Modemarke gebucht, für die ich das neue Gesicht werden sollte. Wir waren an einer Traumlocation, doch ab dem Zeitpunkt, wo es für mich vor die Kamera ging, wurde mit mir nicht gesprochen. Stattdessen sollte ich im 5-Minuten-Takt die Kleidung wechseln und merkte schnell, das etwas nicht stimmt. In einer Pause sah ich Models an der Location ankommen: Größer und schlanker als ich. Der Fotograf kam zu mir „Wir haben Ersatz für Dich und Du kannst nach Hause.“ Der Kunde hatte ihn gebeten mir mitzuteilen, dass ich das Set verlassen soll: Sie würden mit der Agentur Rücksprache halten, denn ich sei ein Plus-Size-Model und das hätten sie für die Kampagne nicht gesucht. Ich packte meine Sachen, verließ das Set und lief 2 Stunden durch die Gegend mit dicken Tränen im Gepäck und einem tiefen Schmerz. In diesen 2 Stunden realisierte ich, wie viel Lebenszeit ich damit verbrachte, mir ähnliches anzuhören oder an meinem Körper zu zweifeln und entschied mich dafür, mich nie wieder so fühlen zu wollen und meinen Körper ab sofort so zu behandeln, wie er es verdient: Als größtes Geschenk. Und wenn das bedeutete, dem Modeln den Rücken zuzukehren, dann sollte dem so sein. Ich habe dem Modeln den Rücken übrigens nicht zugekehrt und war seit diesem Tag nie wieder in einer ähnlichen Situation. Inzwischen schaue mir die Marken und Kunden sehr genau an und meine Agentur leitet mir wirklich nur Jobs weiter, die auch wirklich zu mir passen. Finally! 


Wir alle kennen es für unseren Körper oder auch Aussehen bewertet zu werden. Ob bewusst oder unbewusst, durch Blicke, Kommentare, Vergleiche oder auch Zuschreibungen. Als Model und auch auf Social Media ist man „dem“ besonders häufig & intensiv ausgesetzt. Wie gehst du damit um? Was bestärkt dich? Was hilft dir bei dir zu bleiben oder wieder bei dir anzukommen? 

Wer auf Social Media unterwegs ist bekommt immer unter die Nase gerieben, wie sehr sich unser Aussehen aber auch unser Lebensentwurf von dem der Menschen unterscheidet, die wir uns tagtäglich anschauen. Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Ein Großteil zeigt sich nur so, wie sie selbst gesehen werden wollen. Instagram lädt nunmal zur optimierten Selbstdarstellung ein: Ich mach da auch manchmal mit. 

Auch wenn mir Zuschreibungen und Kommentare inzwischen egal sind, erwische auch ich mich dabei, mich zu vergleichen. Während Person A morgens um 06:00 schon fleißig aus dem Gym postet, zeigt Person B ihr maximal gesundes Frühstück und Person C trägt das eine Outfit, das ich wunderschön fand aber in der Umkleidekabine eine Lebenskrise hatte, weil es einfach nicht gut an mir aussah. Und während ich all das konsumiere sitze ich in meinem 10 Jahre alten Schlafanzug am Tisch, esse ein Avocadotoast und könnte nicht unmotivierter sein, jetzt Sport zu machen. Das Gute: Diese Momente halten nicht lange an und ich schaffe es immer wieder, mich daran zu erinnern, dass ich ich bin. Und so wie ich bin, bin ich einzigartig und genau richtig: Mit allem, was zu mir dazu gehört. Das bestärkt mich in allen Themen - auch darin, den 10 Jahre alten Schlafanzug noch viele weitere Jahre zu tragen: Schließlich fühle ich mich in ihm wohl. Übrigens: Ich bin erst kürzlich mal wieder darauf hingewiesen worden, dass ich meine kleinen Brüste doch lieber vergrößern lassen sollte. Die guten Neuigkeiten: Die Nachricht ist mir einfach nur egal, weil meine Brüste genau so gut sind, wie sie sind. 

Was hilft dir dich abzugrenzen?

Wer sich abgrenzt, bestimmt seine eigenen Grenzen. Dabei ist eines aber besonders wichtig: Seine eigenen Grenzen zu kennen, und die kenne ich. Ich weiß so sehr wie nie zuvor, was mir gut und eben nicht gut tut und kann entsprechend handeln. Wer sich rausnimmt, das Aussehen eines Menschen zu be- oder verurteilen, ist kein Mensch, der Raum in meinem Leben hat. 

Wie gut, dass ich nur Menschen in meinem Leben habe, die weder be- noch verurteilen. Passend dazu sagte mal jemand zu mir „know your Inner Circle“ - und den, den kenne ich. Was alle außerhalb des „Inner Circles“ von mir denken, ist mir egal. Und so behandle ich auch eine App wie Instagram. 

Was hilft dir liebevoll und mitfühlend mit dir umzugehen? 

Auf mich und meine Bedürfnisse einzugehen und mir und meinem Körper das geben, was er verlangt. Ich selbst bin das wichtigste Zuhause, das ich habe und so behandle ich mich auch. Ein kleines Beispiel einer Routine, die ich vor einigen Jahren angepasst habe: Nach dem Duschen creme ich mich immer ein. Das musste früher immer schnell gehen und die Klamotten waren schon angezogen, da hat die Creme noch nicht einmal daran gedacht, eingezogen zu sein. Heute nehme ich mir Zeit: Da wird jeder cm meines Körpers mit Ruhe so eingecremt, dass ich täglich eine extreme Verbundenheit zu mir und meinem Körper verspüre.

Was bestärkt dich? Was bestärkt dich auch in Blick auf dich?

Ganz klar das Leben, das ich lebe. Mit allem, was dazu gehört. Mein Großvater hat immer zu mir gesagt, dass ich mich wie ein Pflänzchen sehen soll und ein Pflänzchen braucht Zeit und Pflege. Zeit und Pflege bin ich selbst, mein Umfeld (Familie und Freunde), 2 unterschiedliche Berufe die ich beide gleichermaßen liebe und unterschiedliche Orte, die mein Zuhause sind. Das alles bestärkt mich und hilft dabei, dass das „Pflänzchen Leo“ immer weiter wächst. 

Was ist dein schönster Selbstbewusstseins-Boost?

Ich schreibe jeden Tag auf, wie ich mich fühle. Eine Kategorie davon ist zu benennen in welchem Moment ich mich besonders positiv gefühlt habe - sei es nun besonders schön, besonders glücklich, besonders geliebt und und und. Dadurch habe ich gelernt, meinen Fokus auf Positives zu richten, was mich stärkt und schön ist. 

Du schreibst in mehreren Posts, dass du deinen Körper akzeptiert hast und das genau das eine Reise und vor allem ein Prozess war (der 20 Jahre) gedauert hat. Ich finde ja auch täglich abläuft und voranschreitet :) Wie war die Reise für dich, dieser Prozess?

Wie würdest du dein Akzeptieren beschreiben und wie ist dir genau das gelungen?

Ich glaube dass unsere 20er eine extrem besondere Zeit sind und mit der 30 ganz viel Umdenken stattfindet. Umdenken, dass aus dem resultiert, was wir in unseren 20ern gelernt haben. Zumindest war das bei mir so und ich höre an allen Ecken ähnliche Erfahrungen. Ich habe mir in meinen 20ern permanent die Frage gestellt, wer ich bin, wo ich hin möchte und hinterfragt, wie ich aussehe und wie das bei anderen ankommt. 

Wer ich bin, weiß ich heute und wo ich bin, ist genau da, wo ich gerade hingehöre. Und meine körperliche Entwicklung gehört da auch dazu: 

Mein Körper ist anders geworden. Da sind Dehnungsstreifen, mein Bindegewebe hat sich verändert, alles rund um meine Periode hat sich verschlimmert und meine Haut bricht phasenweise mehr aus, als im Teenageralter. Unsere Körper sind ein Meisterwerk: Was da tagtäglich geleistet wird, ist Wahnsinn. Und genau so versuche ich mich zu sehen: Als Meisterwerk, das tagtäglich viel leistet und auch schon eine ganze Menge geleistet hat. Ein Besuch am Strand bedeutete früher kaschieren, Make-Up und beim Laufen den Bauch einziehen - heute heißt das: Mich wohlfühlen, den Moment zu genießen und nicht darüber nachzudenken, was andere Strandbesucher:innen über mich möglicherweise denken. 

Wenn du deinem jüngeren Selbst oder auch Teenage-Self heute begegnen würdest, was würdest du ihr wünschen? 

Verständnis dafür, dass ich schon immer genau so richtig war, wie ich bin. 


Welchen Zuspruch würdest du ihr geben oder auch welche Weisheit mit ihr teilen?

“The most incredible beauty and the most satisfying way of life come from affirming your own uniqueness.” - Jane Fonda


Hast du Lieblings-Tools zur Bestärkung oder auch Entspannung?

Aufschreiben, aufschreiben, aufschreiben. Ich kann mir ein Leben ohne „Jorunaling“ nicht mehr vorstellen. 


Danke liebe Leo für all deinen Input, deine Erfahrung und dein Sein. Schön, dass du bei uns warst :)

 
 

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