Game Changer für mein Leben mit Colitis Ulcerosa: Wie Psycho- und Physiotherapie mir als Perfect Match halfen

 
 
 
 
 

Als ich 20 Jahre alt war, fand ich mich ganz schön reflektiert. Psychotherapie? Würde ich niiiiie brauchen, denn Gefühle rauslassen und über alles reden, ist kein Problem. Und Physiotherapie? Kannte ich nur von DIN A4-Zetteln mit Rückenübungen, die ich sowieso nicht gemacht habe. Heute bin 30 Jahre alt und sehe das nicht nur komplett anders, sondern weiß inzwischen auch, auf welches strukturelle Problem ich hereingefallen bin. Psycho- und Physiotherapie wurden für mich zu Lebensretterinnen – aber nicht allein, sondern so richtig erst in Kombination.

Ein Frühlingstag, der zum Feelingstag wurde

„Und weißt du mehr darüber, welche Teile des Darms genau betroffen sind?“, fragte die Physiotherapeutin und erklärte weiter: „Ich hatte eine Patientin, die hat kaum noch Essen vertragen. Es war super schwierig für sie, überhaupt noch etwas zu finden, das sie nicht leiden lässt. Ich habe mir ihre Haltung angeguckt und festgestellt, dass sie durch eine Fehlstellung ihren Dünndarm permanent eindrückt. Das Organ hatte kaum eine Chance, überhaupt richtig zu arbeiten. Je mehr wir an der Haltung arbeiteten, desto mehr konnte sie wieder vertragen.“ Ich wurde skeptisch. Solche Geschichten hatte ich schon 348 Mal gehört – von Kokosöl, Kurkuma, Heilerde und super „heilenden“ Kapseln, die aber leider 100 Euro pro Monat kosteten. Mein „Hokuspokus“-Alarm ging an. Doch was hatte ich zu verlieren? Ich hatte jeden Tag Schmerzen, Krämpfe und konnte oft nicht mal mehr stehen vor Schmerz. Also all in. Nach dem offenen Vorgespräch, bei dem die Therapeutin sich jedes kleinste Detail meines Körpers anhörte und notierte, fingen wir mit Faszientraining an, das ich zu Hause weitermachen sollte. Und wow. Es wurde sehr schnell klar, dass die Verspannungen, die sie ausgewählt hatte, wirklich einiges an Entspannung gebrauchen konnten… Während ich die Übungen ausprobierte, liefen immer wieder Tränen auf die dunkelgraue Yogamatte unter mir. Ärzt*innen-Traumata kamen hoch, aber gleichzeitig auch die unfassbare Dankbarkeit, dass hier jemand war, der zuhörte und den ganzen Körper in Betracht zog statt Symptome einfach abzutun, weil sie nicht in die Schublade passten.

Zurück zu Hause: Ein aller verändernder Moment

Ein dreiviertel Jahr war ich zu Beginn der Physiotherapie schon in Psychotherapie – unter anderem um mit der chronischen Krankheit besser leben zu können, indem ich Stressfaktoren aufarbeitete und reduzierte. Nach ersten Erfolgen in der Psychotherapie erlebte ich nun also auch im Faszientraining langsam Veränderungen, denn je mehr ich meinen Psoas-Muskel durchknetete, desto schwächer wurden die täglichen Schmerzen. Und dann passierte das Unerwartete: Ich lag zu Hause auf dem Boden – zwischen mir und dem Eichenlaminat nur die Faszienbälle und ein angespannter Psoas – als plötzlich eine Erinnerung aus der Kindheit hochkam. Die Szene spielte sich vor meinem inneren Auge ab als wäre ich noch einmal dort – und ich fing heftig an zu schluchzen. Die Erinnerung hatte ich bis zu diesem Punkt verdrängt. Ich hätte 20 Sekunden vorher bestritten, dass sie überhaupt jemals passiert ist. Doch plötzlich war alles wieder da. In völliger Auflösung rief ich erst meine Familie an und sprach zwei Tage später mit meiner Psychotherapeutin darüber. Es war der Beginn eines neuen Kapitels in der Psychotherapie, denn dieses, während des Physiotrainings aufgewühlte, Puzzlestück, setzte ein größeres Bild in meiner Psyche zusammen.

Körper und Psyche: Zusammenhänge gezielt nutzen

Dass die Psyche der Dreh- und Angelpunkt meiner Krankheit ist und damit in Form von Verspannungen / Entzündungen direkte Auswirkungen auf meinen Körper hat, wurde mir schon zu Beginn der Psychotherapie klar. Doch dass ich das gezielt einsetzen kann, um sowohl an den Verspannungen als auch an den Knoten im Kopf zu arbeiten, eröffnete eine neue Welt. Ich fing also an, Themen von der Psychotherapeutin zur Physiotherapeutin mitzunehmen und umgekehrt. Beide ließen sich darauf ein und konnten mit den Erkenntnissen der jeweils anderen Heilungsprozesse gezielt ansteuern. Situationen wie die hochgekommene Erinnerung kamen immer wieder vor – nur eben nicht mehr aus dem Nichts, sondern erwartbar, ohne den erschreckenden Part.

Game changer für mein Leben mit Colitis Ulcerosa

Heute weiß ich, dass dieser Moment auf dem Boden der game changer für meine chronische Krankheit war: Ich habe keine täglichen Schmerzen mehr. Und auch wenn Entzündungen auftreten, ist mir inzwischen sehr bewusst, welche Zusammenhänge mit meiner mentalen Gesundheit bestehen. Das heißt natürlich nicht, dass ich „geheilt“ bin. Eine chronische Krankheit ist vor allem eins: chronisch. Sie ist meine körperliche Reaktion auf Stress und Umwelteinflüsse. Doch auch, wenn ich nach wie vor Schübe habe, bin ich dabei gleichzeitig nicht mehr so hilflos. Ich habe sowohl Tools gegen körperliche Schmerzen als auch Wissen darüber, wie ich meine Psyche beruhigen kann. Ich baue immer mehr Verständnis auf für mich, meinen Körper und meine Reaktionen auf die Wellen des Lebens. Mein Alltag hat dadurch enorm an Lebensqualität gewonnen, während meine Schübe an Stärke verloren haben.

Warum Körper und Psyche zu Unrecht getrennt werden

Dass Körper und Denken / Fühlen überhaupt getrennt voneinander betrachtet werden, liegt an äußerst veralteten religiösen Vorstellungen. So betrachtete Descartes im 17. Jahrhundert den Körper rein als Maschine, die vom Gehirn gesteuert werde. Jegliche Wahrnehmungen, Gefühle und das Denken kämen erst durch den „Geist“ in den Körper – und da dieser „göttlich“ sei, wäre er praktisch nicht erforschbar. Wer es dennoch tat, befand sich schnell im Angesicht des Todes, wie beispielsweise Galileo Galilei, der „die göttliche Ordnung“ durcheinanderbrachte, indem er herausfand, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Galilei wurde dafür zum Tode verurteilt. Klar wird also: Die Trennung ist, nett gesagt, eher ein geschichtlicher Unglücksfall als mit heutiger Wissenschaft vereinbar. Da die Strukturen aber nach wie vor veraltet sind, kann ich nur sagen: Lasst es uns selbst in die Hand nehmen und die Verbindung zwischen Körper und Psyche für unsere Gesundheit nutzen – ob mit Hilfe von außen oder step by step, indem wir unserer Psyche Gutes tut, wenn (oder bevor) unsere Körper Symptome zeigen.

Eure Kathi

 
 

Über Katharina

  • eines ihrer Lieblingstiere ist das Axolotl

  • sieht ihre chronische Darmerkrankung (meistens) nicht als Feindin, sondern u.a. Hilfe, um die eigenen Grenzen besser zu erkennen

  • schreibt auf Instagram über Leben mit CED & Mental Health

  • hat eine Schwäche für Hafercappuccino aus schönen Tassen

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